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Über das Unverstandene oder:
YOU DON`T SEE THINGS THE WAY THEY ARE, YOU SEE THEM
THE WAY YOU ARE
Markus Waitschacher
Bernhard Wolfs Arbeiten im öffentlichen Raum stehen irgendwo zwischen Graffiti, Werbetext und der totalen Verweigerung all dessen. Seine Symbole, icons, Quasi-Ikonen, wie sie Judith Laister einmal in Anlehnung an Bruno Latour nannte, sie sind uns unbewusst sehr vertraut und gleichzeitig zeugen sie von sprödester Fremdheit. „Ich komme von der Erde und habe gute Absichten” lautet eines seiner bekanntesten Statements, die er in die Welt aussetzt. Aussetzen deshalb, weil sie in der Öffentlichkeit platziert werden. Diese geht dann ganz verschieden damit um. Seine Ikonen sind ab und an flüchtig, tauchen auf und wieder unter, des öfteren, aber durchwegs permanent, setzen sie ganz große Fragezeichen in den Raum. Sie öffnen zuweilen einen utopischen Horizont in ihrer Verbindung aus sehr Lokalem und dem äußerst Fremden. Es ist ein beständiges Raus- und Reinzoomen, metaphorisch und metaphysisch. Der Pale Blue Dot ist der Name eines Fotos der Erde, welches von der Raumsonde Voyager 1 aus einer Entfernung von etwa 6 Milliarden Kilometern aufgenommen wurde. Der größten Distanz, aus der bis heute ein Foto der Erde gemacht wurde. Die Arbeit, die diesen Titel trägt ist eine in sich geschlossene, dennoch offene, dreiteilige elipsoide Form auf der Fassade eines Schlosses, dessen Verputz, ob seiner Zeit und Geschichte, langsam zerbröckelt. So auch Bernhard Wolfs Wandgemälde. Einst lebten dort Geistliche, deren Dimensionen weit ins Universum reichten – gleichzeitig wollten sie wohl kaum erahnen, dass es einmal ein Foto aus dem Universum auf sie herunter geben wird. In einer Art Sezierkurs in Akupunktur erforscht die Wandarbeit for(for(for(you))), eine Gemeinschaftsarbeit mit Matthias Jäger, ebenfalls ein brüchiges Gebäudeensemble. Reininghaus ist ein umstrittenes Großbauprojekt in Graz, wo unterschiedlichste Interessen und Interessensvertreter*innen zusammenkommen. Unlängst wurden genau unter der Tennenmälzerei Überreste einer geheimen Rüstungsfabrik des NS-Regimes entdeckt. Wie beschossen, wirkt nun die Fassade mit ihrer computergenerierten Wandmusterung. Ob die beiden Künstler unbewusst ahnten, dass ihr markiertes Haus weit aufgeladener ist, als es sich rein äußerlich erahnen lässt?
Bernhard Wolfs Spiel mit dem Unverstandenen ist jedenfalls ein äußerst furchtloses. Da gibt es gleichzeitig Interventionen im öffentlichen, chinesischen Stadtraum, wie in der Universität. Die Arbeiten DIJIU / EARTH, LED-Projektionen in Suzhou, China und SYNTAX, Schriftbilder in der Aula und den Gängen der Alpen-Adria Universität Klagenfurt, bewegen sich beide im semi-verstandenen Raum.
Den Mandarin-sprechenden ist wohl selten etwas „chinesisch”, wie die Lehrenden der Universität wohl längst vergessen haben, was PER ASPERA AD ASTRA bedeuten könnte. Warum irritieren uns Bernhard Wolfs Interventionen überhaupt? Der öffentliche Raum ist doch voller Botschaften, Zeichen und Symbole. Auch wenn wir die meisten von ihnen nicht verstehen, verstehen wir sie doch genau zu lesen. Wer weiß schon, was das Hinweisschild § 53/4: „Pannenhilfe” darstellen soll? Jede*r Autofahrer*in weiß, was es bedeutet. So werden auch alle Kirchenbesucher*innen seine Arbeit UPLOAD/DOWNLOAD zu verstehen wissen, wenn sie auf ihren persönlichen Himmel warten. Genau so verhält es sich mit den meisten Geboten und Verboten im öffentlichen Raum, aber auch mit der anderen Bilder- und Symbol-Überschwemme, der Werbung. Seine Intervention im öffentlichen Raum von Klagenfurt, FETE BLANCHE, wird beispielsweise von vielen Menschen als Werbung für dieses Wörthersee-Event verstanden. In einer Baulücke, stadteinwärts, wird die Verwendung dieser Marke bereits als branding wahrgenommen und als Werbung gelesen. Das spricht Bände. Können wir Botschaften im öffentlichen Raum überhaupt (noch) als Nicht-Werbung verstehen? Wo doch eine politische Botschaft längst schon primitiver als jede Waschmittelwerbung rüberkommt? stellvertretend für alles was sein kann, ein weiteres Werk, das die Geste des Künstlers scheinbar sichtbar werden lässt: wir können seinem Pinselstrich quasi folgen. Auch hier macht er es uns nicht so einfach, kommt doch die Zeichnung aus dem Bühnenbild von Marta Navaridas Performance ONÍRICA, die 2020 im Kunsthaus Graz aufgeführt wurde. Der Künstler nahm hierbei einen kleinen Ausschnitt daraus und vergrößerte ihn auf die Außenfassade des Forum Stadtpark. Wieder ist es ein rauszoomen und wieder können wir uns entscheiden, ob wir überhaupt mitzoomen wollen. Verweigern sich viele seiner Arbeiten der gefeierten Künstler*innenhandschrift, so wird sie gerade stellvertretend für alles spürbar. Es sind nämlich Stellvertreter*innen, die uns Bernhard Wolf in die Arme legt. Wir können uns an ihnen aufreiben, sie lieben und sie missverstehen: sie stehen für etwas viel Größeres und gleichzeitig für uns selbst.
Markus Waitschacher
Freier Kurator und Programmgestalter für Bildende Kunst im Forum Stadtpark, Graz, Österreich