In alle Netze / Bernhard Wolf
Zehn großformatige Motive als Wandmalerei und Wandplakate im Stadtgebiet Graz
Dirck Möllmann

Neulich schrieb ein Blogger auf Public Art (Now)1, dass die Kunst sich mittlerweile wirklich im öffentlichen Raum etabliert habe, es aber noch daran fehle, ihre Inhalte öffentlich bewusst zu machen. Vielleicht arbeitet Bernhard Wolf mit seiner Wandplakatreihe auf okkupiertem öffentlichem Terrain genau an diesem Bewusstsein. Seine Kunst bringt Zeichen auf den Punkt und das Einfachste ist oft das Schwierigste. Wolf versteht es sehr genau, allgemein verständliche oder bekannte Motive auf prägnante Weise noch einmal zu vereinfachen. Seine Formate sind schlicht in Schwarz auf Weiß per Hand auf übergroße Leinwand gemalt. Die händische Anfertigung macht die Signalwirkung von Zeichen ästhetisch neu lesbar – sie stehen für sich selbst wie Malerei und sind verständlich wie Werbung. Das Pausenzeichen des Apple-Betriebssystems prangt unter dem Vordach einer ausrangierten Tankstelle in Liebenau, darüber steht TRAUM. An der Backsteinmauer eines Wohnhauses in der Zweiglgasse hängt ein handgefertigtes Wandplakat mit dem Op-Art-Motiv der italienischen Künstlerin Marina Appolonio aus den 1960er Jahren, darunter steht in großen Lettern ZEIT. Eine andere bloßgelegte Brandmauer beim Lendplatz ziert das Wandposter SPIRITUELLE EXTRAVAGANZ. Auch BROT WURST PETERSILIE am Griesplatz über dem verklebten Schaufenster eines Lebensmittelladens lässt einen sich kurz am Kopf kratzen. Die Kombination von Schrift und Zeichen ist nicht kompliziert, aber auch nicht banal. Sie unterbricht nur eben kurz den Fluss der öffentlichen Bilder, der Blick ruht, der Verstand springt an, überlegt, und mit irgendetwas im Gepäck geht’s wieder weiter.

Anders als Werbung gehen Wolfs Wandplakate nicht auf Kundenfang und anders als die Street-Art geht es nicht um soziale Codes, politische Botschaften, Coolness oder Rowdytum. Die gekonnte Melange aus Reduktion und Pop ist nicht eindeutig definiert. Sie lebt bei Wolf nicht vom Bild allein, sondern ebenso viel vom Ort. Risse im Stadtgefüge werden von ihm bevorzugt, unklare Stellen, die architektonisch nicht ausdefiniert sind, ein bisschen nostalgisch. Plötzlich wird einem die Ideologie der Jetztzeit bewusst. Man schaut auf ein Motiv und erfasst den Zustand einer urbanen Situation anhand einer Brandmauer, in einer Baulücke, über einem geschlossenen Laden, im laufenden Verkehr. Kunst kennt andere Rhythmen im Alltag und sie kann Wahrnehmungsmuster unterbrechen, das lässt sich bei Bernhard Wolf lernen. Vor der realen Verteuerung der Lebensbedingungen durch Gentrifizierung werden die Wandgemälde aber nicht schützen können. Die zehn großformatigen Arbeiten wurden ab Juli 2013 im Stadtgebiet aufgehängt und bleiben für eine Weile hängen.

Dirck Möllmann, Kurator am Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark, Universalmuseum Joanneum, Graz.