Fuck the Solar System / Burning Down the House
Alois Kölbl im Gespräch mit Bernhard Wolf
QL-Galerie, steirischer herbst 23

Das Ausstellungsprojekt in der QL-Galerie, das auch ein Diskussionspanel miteinschließt, soll zu einem Denkprozess angesichts der Klimakrise anregen. Gleichzeitig wird auch die Debattenkultur in einem aufgeheizten gesellschaftspolitischen Handlungsfeld thematisiert.

Kurator Alois Kölbl hat mit dem Künstler Bernhard Wolf über seine Ausstellung und Möglichkeiten und Grenzen einer künstlerischen Intervention als Beitrag zum gesellschaftspolitischen Diskurs gesprochen.

Der Titel dieses Heftes und unser QL-Jahresthema lauten „Searching Connections“. Wir reagieren damit auf gesellschaftliche Blasenbildung, das Auseinanderdriften immer lauter und aggressiver werdender Gruppen mit Extrempositionen und auf die Tatsache, dass der Tonfall im gesellschaftspolitischen Diskurs rauer geworden ist. „Fuck the Solar System“, betitelst Du Deine Ausstellung in der QL-Galerie, inwiefern hat das mit diesen Entwicklungen zu tun?

Bernhard Wolf: Das Ausstellungskonzept und der Titel lassen sich auf zweifache Weise mit eurem Jahresthema verbinden. Zum einen scheint mir die Klimakrisen-Diskussion inzwischen in der Mitte der Gesellschaft angekommen zu sein, zum anderen ist auch in den Diskussionen in diesem Diskurs- und Handlungsfeld der von dir erwähnte, gesamtgesellschaftlich rauer werdende Tonfall beobachtbar. Es geht um die Diskussion von Maßnahmen und Veränderungen, in denen es um den Kern unseres westlichen Bewusstseins – sprich: um Individualität und Konsumfreiheit – geht, da ist es nicht überraschend, dass Emotionen ins Spiel kommen und die Gesprächsführung gereizter wird.

Klimaaktivist:innen der „Letzten Generation“ kleben sich nicht nur auf viel befahrenen Straßen und an Kreuzungen fest um Aufmerksamkeit zu erregen, sondern beschmieren auch Bilder in Museen oder schütten Farbe oder andere Substanzen über Kunstwerke. Wie geht es dir als Künstler mit solchen Aktionen?

Ich finde das absolut gerechtfertigt. Die Bedrohungslage ist, wenn wir den wissenschaftlichen Erkenntnissen glauben dürfen, dermaßen eklatant und einzigartig in der Menschheitsgeschichte, dass es drastischer Maßnahmen bedarf. Ich finde die Methoden durchaus moderat, mich überrascht eigentlich, dass es angesichts der prekären Lage nicht schon zur Anwendung noch radikalerer Mittel gekommen ist. Ich halte diese Maßnahmen für notwendig, auch wenn sie natürlich Unmut hervorrufen. In meiner Ausstellung wird auch ein Interview aufliegen, das Thomas Wolkinger mit Ilona M. Otto geführt hat, die als Professorin für gesellschaftliche Auswirkungen des Klimawandels am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel an der Universität Graz genau zu diesen Prozessen forscht. Aus ihren Beobachtungen und Forschungen geht ganz klar hervor, wie wichtig bei gesellschaftlichen Prozessen dieser Art Proteste von der Straße und Aktivismus sind.

Noch einmal zurück zum Titel der Ausstellung „Fuck the Solar System/Burning Down the House“, der im zweiten Teil einen Liedtitel der Band Talking Heads aus den achtziger Jahren zitiert. In welchem Zusammenhang steht er mit dem Projekt in der QL-Galerie?

Der Titel erwächst aus meiner künstlerischen Praxis, in der ich mich immer wieder mit kollektiven Zeichen und gesellschaftlichen Klischees beschäftige. Gerne zitiere ich in meinen Werken auch aus der Popkultur. Wir kennen alle Slogans aus Protestbewegungen, wie etwa „Make Love not War“ oder Ähnliches. „Fuck the System“ reiht sich da nahtlos ein und hat sich in den Straßenprotesten der letzten Jahrzehnte als oft skandiertes oder auf Plakaten zu lesendes Statement etabliert. Ich verwende gerne solche Stehsätze und verfremde sie dann für meine künstlerischen Zwecke in eine gewisse Richtung um neue Interpretationsebenen aufzumachen. „Fuck the System“ ist Ausdruck einer individualistisch-nihilistischen Haltung, die sich auf Veränderungsprozesse hier auf der Erde bezieht, „Fuck the Solar System“ ist eine überdrehte semantische Übertreibung, die sich fiktiv gegen den ganzen Kosmos wendet und damit totale Sinnlosigkeit zum Ausdruck bringt. Ich versuche damit das übermächtige Bedrohungsszenario unseres Habitats und eine mögliche Reaktion darauf in ein Bild zu fassen.

Geht es dir damit als Künstler primär darum ein Problemfeld zu benennen, oder glaubst du auch ganz konkret etwas verändern zu können?

Zunächst bin ich als Mensch und Staatsbürger stark bewegt von den Herausforderungen der Klimakrise und natürlich will ich diesbezüglich etwas verändern. Wir erleben ein Szenario, für das die letzten Handlungsfenster gerade noch offenstehen. Das versuche ich auch in meine Kunst einfließen zu lassen. Mir ist natürlich bewusst, dass die Kunst bei der Entwicklung von Lösungsansätzen zur Bewältigung der Klimakrise nur ein Nebenschauplatz sein kann. Allerdings verfügt die Kunst, zumindest in unserer westlichen Gesellschaft, über gute Möglichkeiten gesellschaftliche Aufmerk­samkeit zu erregen. Schon seit einiger Zeit versuche ich mit den Mitteln der Kunst Klima-Statements im öffentlichen Raum und damit im gesellschaftlichen Diskursfeld zu platzieren. Dabei greife ich immer wieder auf ein Icon zurück, das aus einem blauen Kreis besteht, der für die gesamte Atmosphäre, unser Habitat, steht und darin eingeschrieben liest man „+15°“. Das entspricht der durchschnittlichen Oberflächentemperatur auf der Erde. Es ist ein plakatives Bild für die wissenschaftliche Erkenntnis, dass es fatale Folgen hat, wenn sich dieser Temperaturwert in Zukunft weiter erhöhen sollte.

Die QL-Galerie ist kein White-Cube, sondern das zum Galerie-Raum adaptierte ehemalige Treppenhaus einer herrschaftlichen, großbürgerlichen Villa des späten neunzehnten Jahrhunderts. Welche Rolle wird dieses Raum-Setting für deine Arbeit spielen?

Ich finde den Raum für meine Arbeit sehr spannend. Er hat sehr ungewöhnliche Proportionen, gerade im Lichthof entwickelt er eine unglaubliche Höhendimension, das hat mich herausgefordert. Mit meinen Arbeiten reagiere ich ja immer wieder auf sehr unterschiedliche und durchaus ungewöhnliche Raumsituationen. Mir ist es wichtig, mit dem jeweiligen Raum in einen Dialog zu treten. So werden auf den hoch aufragenden Säulen zum Lichthof Ausschnitte aus dem Klima-Icon appliziert, dazu kommen Informationsgrafiken im Lichthof; und wenn man sich dann dem Ausgang zuwendet, nimmt man in dem Bereich, der wegen der Galerie darüber und den beiden Heizkörpern an der Wand eher gedrängt wirkt, ein fragmentiertes, an Höhlenmalerei erinnerndes Mammut wahr. Es wirkt dort wie ein stilles Memento, wieder etwas plakativ, dessen bin ich mir bewusst, an das, was auch uns Menschen blühen könnte, wenn wir die globalen Entwicklungen nicht in den Griff bekommen. Ich weiß schon, dass das Mammut nicht wegen klimatischer Veränderungen ausgestorben ist, aber man denkt wohl unwillkürlich daran, dass unsere Erde auch ohne die Spezies Mensch weiter existieren könnte. Ich glaube das Bewusstsein um dieses Szenario ist noch nicht in der Gesellschaftsmitte angekommen. Mir geht es mit diesen sehr sparsamen Setzungen im vorhandenen Raumgefüge gerade darum, die Verdrängungsmechanismen im Klimadiskurs zu visualisieren, die direkt mit den Errungenschaften unserer westlichen Wohlstandsgesellschaft zu tun haben, auf die wir nicht verzichten wollen. Das Setting des Raumes steht für das Industriezeitalter, in dem man begonnen hat, die Ressourcen der Erde möglichst effizient und schonungslos auszubeuten. Ein Jahrhundert später sind wir nun an einem Endpunkt dieser Entwicklungen angelangt. Ich lasse in diesem Szenario großbürgerlicher Versatzstücke aus dem Industriezeitalter, das man gemeinhin mit Üppigkeit und Opulenz assoziiert, bewusst sehr viel Luft und Freiraum durch meine sehr reduzierten Setzungen. Die Verwerfungen im Diskurs und der raue Ton in den Diskussionen haben für mich ganz wesentlich damit zu tun, dass es in der zu führenden Debatte zu einem extrem komplexen Thema letztlich um die DNA unserer Sozialisierung in der westlichen Welt mit dem Paradigma der Konsumfreiheit geht, auf die wir alle nicht oder nur sehr ungern verzichten wollen. Wir müssen aber sehr nüchtern die Wohlstandsstatistik zur Kenntnis nehmen, dass zehn Prozent der Weltbevölkerung über fünfzig Prozent des globalen CO2-Ausstoßes verursachen. Die westliche Wohlstandsgesellschaft mit all ihren Errungenschaften muss sich dieser Verantwortung stellen und natürlich geht es dabei auch um Verzicht und Veränderungen im individuellen Lebensstil.

Der Raum der QL-Galerie ist gleichzeitig auch das Foyer eines Studierendenhauses. Hier werden auch Personen hereinkommen, die nicht darauf vorbereitet sind, mit Kunst konfrontiert zu werden. Was bedeutet das für deine Arbeit?

Ich bewege mich sehr oft außerhalb des klassischen Kunstkontextes, deswegen ist das für mich nichts Ungewöhnliches. Auch im Öffentlichen Raum adressiere ich hauptsächlich an ein Nicht-Kunstpublikum. Ich bemühe mich also, nicht allzu verklausulierte künstlerische Botschaften zu formulieren. Das Projekt in der QL-Galerie ist aber nicht nur ein Kunstprojekt. Es wird sich mit einem Diskussionspanel verschränken, bei dem Birgit Bednar-Friedl, die Vorsitzende des Klimabeirates der Stadt Graz, mit dem Wirtschaftspsychologen Thomas Brudermann und dem Kommunikations­wissen­schaftler und Klimaaktivisten Manuel Grebenjak auf einen Theorie-Input von Ilona M. Otto, Wegener Center für Klima und Globalen Wandel, reagieren werden. Thomas Wolkinger, der Leiter des neuen Lehrgangs für Nachhaltigkeitskommunikation und Klimajournalismus an der FH Joanneum, wird moderieren. Zudem wird auch im Galerieraum Diskurs- und Theoriematerial aufliegen. Ich hoffe, dass ich damit einen sinnvollen Beitrag zum Nachdenken in einem notwendigen Veränderungsprozess leisten kann.